kultur | standort.bestimmung

Die vorliegende Publikation ist das wegweisende Ergebnis der kulturpolitischen Arbeit, welche die Leipziger Freie Szene in den letzten zwei Jahren strategisch vorangetrieben hat. Die Idee zur Veröffentlichung eines Positionspapiers entstand bereits 2013 mit dem Projekt kultur | standort.bestimmung, welches vom 21. bis 27. September 2015 durch einen internationalen Kulturkongress und ein Kulturfestival realisiert werden konnte.

kultur | standort.bestimmung stellte den entscheidenden kulturellen Beitrag der Freien Szene Leipzigs zum Stadtjubiläumsjahr 2015 dar. 1000 Jahre nach ihrer Ersterwähnung sollte gefeiert werden, was die Stadt ausmacht und wofür sie steht. Dafür kooperierte die Stadtverwaltung mit dem Projektträger - der Initiative Leipzig + Kultur e. V. Im Rahmen des Kongresses wurden zahlreiche Vorhaben ermöglicht, mit denen die Freie Szene ihr Konzept mit Leben füllen und die damit verbundenen Produktionen in die Tat umsetzen konnte. Dies bedeutete auch, dass zahlreiche Akteur_innen der Freien Szene und Kooperationspartner_innen im In- und Ausland aktiv werden konnten.

kultur | standort.bestimmung war der erste internationale, spartenübergreifende Kongress in Deutschland, der von der freien Kulturszene einer Stadt initiiert und realisiert wurde. Mit über 40 internationalen Expert_innen aus Frankreich, Großbritannien, Polen, Griechenland, der Slowakei, Tschechien und Lettland sowie aus ganz Deutschland wurden kulturpolitische Begriffe (neu) definiert, Praxisbeispiele gesammelt und Handlungsempfehlungen erarbeitet. Die mehr als 50 Teilnehmer_innen aus Wissenschaft, Freier Szene, Verwaltung und Politik brachten aus unterschiedlichen Hintergründen ein sehr vielfältiges und vertieftes Knowhow in die Diskussionen ein.

Der Kongress befasste sich mit den folgenden theoretischen Begriffen: Handlungsspielräume, Partizipation, Kooperationen und Kompetenzen. Aus diesen vier Blickrichtungen kristallisierten sich drei sehr deutliche kulturpolitische Themenfelder heraus, die der Publikation als Struktur zugrunde liegen. Dabei besprechen wir die Ergebnisse vor dem Hintergrund der »Bedeutung« der Kultur in der Gesellschaft, der notwendigen »Kompetenzen« zur »Gestaltung« kultureller Rahmenbedingungen und der kulturellen Praxis selbst.

Das wichtigste Ziel des Projekts ist mit der Publikation erreicht: Sie fasst die Diskussion aktueller Begriffe aus kultureller Praxis zusammen und bündelt gelungene Praxisbeispiele aber auch Handlungsempfehlungen, welche die zukünftige Zusammenarbeit von Kulturschaffenden, Politik und Verwaltung entscheidend verbessern und vorantreiben können.

Die folgenden Seiten beinhalten:

  • eine Zusammenfassung und gesellschaftspolitische Einordung der Kongressinhalte,
  • eine Vorstellung aller am Kongress beteiligten Referent_innen und Moderator_innen,
  • aufbereitete »Inhalte«, »Best Practice Beispiele« und »Handlungsempfehlungen« als PDF-Dateien, sowie
  • ein umfangreiches Archiv von Materialien zum Kongress.

Im Vergleich zur gedruckten Publikation ermöglicht diese Online-Version die Vertiefung einzelner Aspekte durch Verlinkungen und Ergänzungen mit Bild- und Filmmaterial.

Die Fragestellung

»Gesprächskultur, Förderstruktur, Gesprächskultur, Förderstruktur«. So, zum Beispiel hätte der Leitfaden des Kongresses auch lauten können. Zitiert wird hierbei Christophe Knoch, Sprecher der Koalition der Freien Szene aller Künste Berlin, der immer wieder darauf verwiesen hat, dass die Umsetzung eines solchen Leitfadens die einzige Möglichkeit sei, eine moderne Gesellschaft, d.h. eine mündige Bürgergesellschaft zu schaffen. Das Anliegen dieses Kongresses ist die Stärkung der Zivilgesellschaft und steuert damit einen wichtigen Beitrag zur Schaffung eines Demokratisierungsprozesses bei.

Die Publikation gliedert sich in konkrete Problematiken, die als roter Faden durch die Vielfalt der Inhalte leiten soll, diese beziehen sich wiederum gezielt auf den Dialog zwischen Freier Szene und den kommunalen Entscheidungsträger_innen im Kulturbereich. Mit Freier Szene sind hier diese Akteur_innen gemeint, die in freier Trägerschaft im Kulturbereich tätig sind. Mit kommunalen Entscheidungsträger­_innen im Kulturbereich verweisen wir auf Kulturverwalter_innen und Kulturpolitiker_innen, die auf kommunaler Ebene tätig sind. Das sind die Akteur_innen, die durch ihre Funktion, ob in der Stadtverwaltung oder in einer politischen Stadtratsfraktion, kulturpolitische Entscheidungen maßgeblich prägen.

Wie kann ein dauerhafter und nachhaltiger Dialog zwischen Freier Szene und kommunalen Entscheidungsträger_innen realisiert werden? Was sind die Themenfelder der Zusammenarbeit? Wie kann diese Vermittlung gestaltet werden und welche Kompetenzen werden dabei gebraucht? Während des Kongresses hat Prof. Dr. Oliver Scheytt »die drei Dilemmata der Kulturpolitik« herausgearbeitet, an denen die Publikation sich orientieren soll: Bedeutung, Kompetenz und Gestaltung.

Bedeutung

Die Suche nach einem Dialog zwischen Freier Szene und kommunalen Entscheidungsträger_innen verkörpert den Wunsch nach einer Transformation der Kulturpolitik. Dies stellt mehrere Herausforderungen dar, sowohl auf einer strukturellen als auch auf einer begrifflichen Ebene. Dies eröffnet den Rahmen zur Diskussion um das Dilemma der Bedeutung (s. Kapitel 1).

Kompetenz

Um Transformationsprozesse in der Kulturpolitik zu entzünden, sind wichtige Veränderungen sowohl seitens der Freien Szene als auch der kommunalen Entscheidungsträger_innen im Kulturbereich nötig. Die Freie Szene muss sich verstärkt nach innen strukturieren, um einheitlich etwas vertreten zu können; die Entscheidungsträger_innen (ob in der Verwaltung oder durch Politik) müssen Kompetenzen sammeln, um die Komplexität und Vielfalt der Kultur in ihrer Stadt nachvollziehen zu können. Sie müssen eine echte Beteiligung an Entscheidungsprozessen ermöglichen können. Dies entspricht dem Dilemma zum Thema Kompetenz (s. Kapitel 2).

Gestaltung

Diese Transformation der Kulturpolitik kann nur durch die Einführung von dauerhaften Vermittlungsinstrumenten zwischen Freier Szene und kommunalen Entscheidungsträger_innen im Kulturbereich gewährleistet werden. Dabei ist es wichtig, dass dies im Wechselspiel von verschiedenen Akteur_innen funktionieren kann. In diesem Bereich soll dargestellt werden, wie eine Beteiligung bzw. eine Mitgestaltung der Kulturpolitik aussehen kann. Damit beschäftigt sich der Diskurs um das Dilemma Gestaltung (s. Kapitel 3).

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